Menschen in Kirchseeon In unserem Ort gibt es zahlreiche Mnner und Frauen, deren auergewhnliches Engagement in Beruf, Ehrenamt oder der Kunst ffentliche Wrdigung verdient. In dieser Rubrik stellen wir sie vor. Geschichten sind Eintrittskarten in das Reich der Fantasie, Bi- bliotheken die Hüter dieser Ticket-Schätze. Reich allerdings wird man damit nicht. Umso wertvoller, wenn sich eine Gesell- schaft ein solches Gut leistet – wie es die Gemeinde Kirchseeon seit nunmehr 50 Jahren tut. Hoch über den Dächern der Stadt, im vierten Stock des Rat- hauses, sorgen Leiterin Manuela Reinhardt und Stellvertreterin Ilona Nußbaum mit Teilzeitkraft Sabine Tretter sowie einem en- gagierten Ehrenamtlichen-Team (Renate Müller, Irene Brauer, Sabine Bähr, Margot Milde und Monika Rose) für Beratung und einen reibungslosen Ablauf. 1132 Bücherfans (die älteste Lese- rin ist über 90!), also rund 10 Prozent der Einwohner, werden mit Novitäten und Klassikern, Zeitungen, Zeitschriften, Hörbüchern oder Tonies versorgt. Nur schade, dass nicht mehr das Angebot zum Nulltarif nutzen. Für die studierte Germanistin Manuela Reinhardt ist Literatur „fast das Wichtigste im Leben“. So viel habe sie aus Büchern ge- lernt, erklärt die gebürtige Spanierin, die 2002 zum Bücherei- Team stieß und es seit 2005 leitet. Der physische Bestand beläuft sich aktuell auf etwa 18.500 Medien, alle handverlesen. „Wir bestellen keine Bücherpakete, sondern wählen anhand der Rezensionen individuell aus“, sagt sie. Bestseller und Empfehlungen finden sich direkt neben der Theke. Weil man auch in Kirchseeon mit der Zeit geht, gibt es zudem 92.000 elektronische Medien – Printprodukte, Bücher, Hörbü- cher und sogar Filme, die per Onleihe „Leo Süd“ rund um die Uhr direkt nach der Auswahl verfügbar sind. Durch eLearning-Kurse ist sogar Weiterbildung möglich, was Manuela Reinhardt beson- ders freut, die ursprünglich Lehrerin werden wollte. Genau wie ihre Stellvertreterin. Ilona Nußbaum blieb allerdings erst „im Pressebereich hän- gen“, bevor sie sich, 2005, frisch zugezogen, auf die in Kirchsee- on aktuell veröffentlichte Stelle in der Bibliothek bewarb. „Die Frist war schon abgelaufen, trotzdem bekam ich den Job. Damit hatte ich das Glück meines Lebens!“, strahlt sie – während Ma- nuela Reinhard mit warmem Lächeln hinzufügt: „Wir beide!“ Auch für Ilona Nußbaum sind Bücher der „Schlüssel, um die Welt und die Menschen zu verstehen“. Gerade für die Kinder und Jugendlichen, um deren Nachschub sie sich in erster Linie küm- mert, sei es wichtig, in schwierigen Situationen zu sehen, „dass man nicht der Einzige ist, der so etwas erlebt“. Im Angebot hat die dreifache Mutter auch Comics („super zum Lesenlernen“) oder Bücher, die auf Computerspielen wie Mine- craft basieren. Sie glaubt: „Nicht das Prädikat ‚wertvoll‘ ist aus- schlaggebend. Gut ist alles, womit man die Kids – und hier vor allem Jungs - zum Lesen bringt.“ Was auf jeden Fall zählt: die Vorbildfunktion der Eltern. Doch im Begegnungsort Bibliothek gehe es nicht nur ums Lesen oder Vorlesen, sondern auch um eine gewisse „Sozialhygiene“. Zwischen den Regalen könne man zur Ruhe kommen, aber auch vertrauensvolle Gespräche führen, für einige die einzige Kom- munikation am Tag. Manche, die von klein an Kunden waren, kä- men jetzt mit den eigenen Kindern. Andere begleite man durch schwere Krankheit. „Wir finden es sehr traurig, wenn Men- schen nicht mehr kommen, die wir lange kennen. Wir denken immer wieder an sie. Sie fehlen“, bedauert Manuela Reinhardt. Bevor die Stimmung zu ernst wird, berichten die Damen von kuriosen Lesezeichenfunden: Sand, Rezepte, Fotos, Klopapier, Tickets für Events und einmal sogar ein Testament. Viele Ge- schichten hat das Team auf Lager, zu dem Renate Müller schon seit 24 Jahren gehört. Sie findet Lesen so wichtig, „weil man al- les über das Leben erfährt und jedes Buch meist auf ein ande- res hinweist.“ Irene Brauer ist seit 2008 dabei. Ihr haben es Kri- mis wie die von Ursula Poznanski angetan. Oder Werke, die per „Kopfkino“ in eine ganz andere Welt abtauchen lassen. Margot Milde, seit 2012 im Team, bringt es auf einen einfachen Nenner: „Lesen bildet!“ Man spürt, mit wie viel Herzblut sie dabei sind: ihr Einsatz macht die Ausleihe von Montag bis Samstag möglich, donners- tags parallel zu den Gemeinde-Öffnungszeiten. Nur dienstags ist zu. 2023 wurde so 828 Stunden lang der Zugang zum Bü- cherparadies mit den vielen kuscheligen Ecken ermöglicht. Auch 33 Veranstaltungen gab es - vor allem, um den Jüngsten die Bibliothek als Wohlfühlort zu präsentieren. Gerne hätte man das noch häufiger getan, wie früher bei Lesungen vor Ort und Lesenächten mit Übernachtung. Leider sei dies seit einigen Jah- ren aufgrund der Brandschutzbestimmungen nicht mehr mög- lich. Es gibt nur einen Rettungsweg, der Bau einer Außentreppe ist zu teuer. Doch egal, was die Zukunft bringt, jetzt wird erst einmal mit allerlei Events das halbe Jahrhundert gefeiert und die 50 Jahre als Tor in die Welt von Wissen und Träumen. Text: Michaela Pelz - i. A. vom Markt Kirchseeon Foto: Jarmila Hajek v.l. Margot Milde, Irene Brauer, Manuela Reinhardt, Renate Müller und Ilona Nußbaum Kennen auch Sie Menschen, die Besonderes leisten in Kirchseeon und eine Wrdigung in dieser Rubrik verdienen? Dann freuen wir uns ber Ihre Nachricht an kirchseeon-aktuell@kirchseeon.de oder Ihren Anruf unter Tel. 08091 / 552-17. 43 Portrait